Nicht mehr Feuer und Flamme

Den Freiwilligen Feuerwehren laufen die Mitglieder weg

Hannover. In Flächenländern wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind die Freiwilligen Feuerwehren unverzichtbar nicht nur bei Bränden. Auf dem flachen Land mit langen Anfahrten für Polizei und Notarzt sind auch bei schweren Unfällen und anderen Unglücksfällen die Ortswehren meist die ersten Helfer vor Ort. Nun aber bröckeln die Mitgliederzahlen, immer mehr kleine Ortswehren machen dicht, die Jugendfeuerwehren haben Nachwuchssorgen.

Hinzu kommt: Gerade in Krisenzeiten klagen Firmen, wenn ihre Mitarbeiter zu Einsätzen ausrücken. Wer sich um einen Job bewirbt, hat als Feuerwehrmann Nachteile zu befürchten. Vor diesem Hintergrund fordert Hans Graulich, Präsident des Feuerwehrverbands Niedersachsen, mehr Anerkennung für das Ehrenamt: "Gerade bei den Feuerwehren an der Autobahn 2 schaffen es viele Freiwillige psychisch kaum noch, pro Tag beinahe zwei Tote aus Wracks zu bergen."

Wie Werner Stöwer, Sprecher der Freiwilligen Wehren in Schleswig-Holstein, will auch Graulich die Situation nicht dramatisieren. In anderen Teilen der Bundesrepublik ist der Rückgang deutlich stärker. Aber auch in Niedersachsen haben seit dem Jahr 2003 rund 4800 Mitglieder die Wehren verlassen, in Schleswig-Holstein sind es jährlich zwischen 300 und 500 Mitglieder, die gehen. Bei insgesamt über 130.000 Feuerwehrleuten in Niedersachsen und 50.000 in Schleswig-Holstein besteht kurzfristig keine Gefahr für den flächendeckenden Brandschutz. Aber Feuerwehrpräsident Graulich warnt: "Der demografische Wandel kommt."

Wie brenzlig die Lage werden kann, zeigt das vom schleswig-holsteinischen Landtag im Herbst beschlossene neue Brandschutzgesetz. Kernpunkt: Die Blauröcke müssen nicht mehr mit 60 aus dem Dienst ausscheiden, sondern dürfen bis 67 im Einsatz bleiben.

Das Hauptaugenmerk aber liegt in beiden Flächenländern bei der Nachwuchsgewinnung und hier bei den Mädchen. Zu den Jugendfeuerwehren sind außerdem Kinderfeuerwehren hinzugekommen. Im Innenministerium in Hannover wird zudem eine Projektgruppe eingerichtet, die neue Wege diskutieren soll, um junge Menschen für die Arbeit der Feuerwehr zu begeistern. Um Lücken in den Wehren zu schließen, wirbt der Feuerwehrverband in Schleswig-Holstein gezielt auf "Mitmachtagen" um Nachwuchs. 25 freiwillige Mitglieder gelten als Untergrenze für eine funktionierende Ortsfeuerwehr. In Niedersachsen ist dies derzeit flächendeckend gewährleistet, in Schleswig-Holstein gibt es mit List auf Sylt eine Gemeinde, die eine Pflichtwehr einführen musste - aus der Freiwilligen Feuerwehr wurde eine unfreiwillige.

Vor allem kleinere Firmen stöhnen, wenn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihre Mitarbeiter von der Werkbank oder aus dem Büro zum Einsatz müssen. Über den Produktionsausfall kann auch die Entschädigung durch die Kommune selten hinwegtrösten. "Wir haben dafür Verständnis", erklärt Stöwer. Der Verband in Schleswig-Holstein suche das Gespräch mit Unternehmen und verleihe an Firmen das Förderschild "Partner der Feuerwehr". Unter Druck geraten auch viele Feuerwehrleute selbst. "Gerade Führungskräfte wie etwa Wehrführer teilen uns mit, dass sie ins Glied zurück möchten, weil sie in ihrer Firma stärker beansprucht werden", sagt Stöwer.

Text: Ulf B. Christen und Ludger Fertmann, Hamburger Abendblatt

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